Nachdem wir uns in Wien so richtig erholt hatten, neue Energie getankt und vor allem auch neues
Kartenmaterial beschafft hatten (wir sind jetzt ausgerüstet bis und mit
Südostasien), pedalierten wir wieder los, weiter der Donau entlang. Der
Donauradwanderweg oder Euroveloweg 6 führte uns gleich durch eine wunderschöne Auenlandschaft.
Nach dem geschäftigen Treiben und Gewusel in Wien war hier fast niemand mehr anzutreffen. Radfahrer
fuhren höchstens noch bis ans Ende der Lobau in die Jausenstation und wieder
zurück.
Wir fuhren auf dem Damm weiter Richtung Slowakei. Es wurde
schon bald dunkel, als wir uns entschieden, die nächste Nacht in einem Hostel
in Bratislava zu verbringen. So konnten wir am Abend noch Bratislava anschauen
und am nächsten Tag auch schon wieder weiterfahren (das war der offizielle
Grund - der inoffizielle war, dass wir beide nach neun Tagen Hotel Mohn
überhaupt noch keine Lust auf wild campieren hatten...). So überquerten wir
also die österreichisch-slowakische Grenze mit einer leicht erhöhten
Geschwindigkeit (unglaublich, was die Aussicht auf ein warmes Bett ausmacht!)
und waren gespannt was uns erwartete.
Etwas mulmig war uns schon zu Mute,
schliesslich begannen jetzt die Länder wo wir bzw. uns die Leute nicht mehr so einfach verstehen
würden. Der erste Mensch, den wir sahen, ging mit seinem Bull-Terrier Gassi.
Dazu liess er ihn einen erkennbar schweren Autoreifen hinter sich her ziehen.
Das Hostel in Bratislava war wunderschön und sauber, die
Stadt ebenfalls und die gut besuchten Strassencafés fühlten sich an wie an einem
lauen Sommerabend. Den Tag abgerundet hatte uns ein schmackhaftes slowakisches
Abendessen und ein mittelmässiger slowakischer Wein, der aber dann trotzdem seine
Wirkung tat, und uns ziemlich rasch dazu veranlasste, unsere warmen Betten
aufzusuchen.
Am nächsten Tag machten wir bereits unsere erste
Bekanntschaft mit anderen Radreisenden. Das britische Pärchen war ebenfalls
unterwegs von Wien nach Budapest und so fuhren wir ca. 10 km gemeinsam aus
Bratislava hinaus, bevor sie dann den Weg auf der ungarischen Seite wählten,
der sie mehr durch Ortschaften mit Pensionen führen sollte, und wir uns für die
weniger dicht besiedelte slowakische Variante entschieden, von der wir uns ein
paar gute Campingmöglichkeiten erhofften. Trotz der topfebenen Landschaft, ist es gelungen
hier die Donau zu stauen und einen mächtigen Staudamm zu bauen. Das Bauwerk
geht zurück auf stalinistische Zeiten. Das Resultat: Ein riesiger Stausee, einen
schnurgeraden, auf beiden Seiten mit haushohen Dämmen gezähmten Kanal, und eine
zerstörte Auenlandschaft.
Auf dem einen Damm verlief unsere Route - für die
nächsten zwei Tage. Wir verlernten lenken und "Hügel drücken". Für Schiffe war es
offenbar etwas komplizierter. Ab und zu kamen uns Radfahrer entgegen, oder wir
trafen Leute beim Spazierengehen an, doch gegrüsst wurden wir sozusagen nie.
Vergebens warteten wir auf ein umgangsprachliches "Ahoj". Irgendwann
machten wir uns dann auch keine Mühe mehr, denn auch nach der freundlichsten
Begrüssung unsererseits, war ein angedeutetes Kopfnicken das höchste der
Gefühle was die Slowaken uns entgegneten. Vielleicht befinden sie sich noch im
Winterschlaf?
Am späten Nachmittag fanden wir dann, wie erhofft in einem
Wäldchen, direkt an der Donau, unsere nächste Campingmöglichkeit. Dazu mussten
wir allerdings den sicheren Damm verlassen, und liessen Hochwassermesslatten hinter
uns. Das Zelt bauten wir sicherheitshalber erst nach Einbruch der Dunkelheit
auf, da die vorbeifahrenden Schiffe direkte Sicht auf unser Plätzchen hatten.
Ich musste noch rasch in den Wald für kleine Velofahrerinnen und ärgerte mich
ein bisschen über die Leute, die hier so achtlos ihren Müll liegen liessen.
Petflaschen hier, Bierdosen da, und dahinten war jemand so dreist und hatte ein
altes Kissen in den Wald geworfen.
"Komisch nur, dass da überall die
Federn herumliegen" dachte ich noch, bevor ich das Kissen identifiziert
hatte - ein toter Schwan. Und was ist der erste Gedanke, der einem bei diesem
Anblick durch den Kopf schiesst? Nicht "Oh, das arme Tier ist hier hergekommen
um zu sterben" sondern "welches andere Tier ist grösser als ein
Schwan um diesen derart zu rupfen!!?" Domi verbrachte wieder eine ruhige
Nacht bis ich ihn leider aus dem Tiefschlaf holen musste, um mir zu erklären,
dass es 1. hier keine Springfluten geben
wird, es hat ja nicht geregnet, und dass 2. auch ein harmloser Fuchs in der
Lage sei, einen Schwan zu erledigen. Gute Nacht. Am Morgen hörten wir plötzlich
Motorenlärm auf uns zu kommen. Oh je, wir wurden entdeckt. Domi war zum Glück
schon aus dem Schlafsack und rapportierte mir dann: "Ein slowakischer
Jäger oder Förster, dem der schlechte Strassenzustand mehr Sorgen machte, als
wir hier beim wild Campieren. Gegrüsst hat er übrigens nicht."
Nach hinter uns gebrachter Nacht ging es also weiter auf dem
Damm Richtung Budapest. Was gestern noch Asphalt war, war heute tiefer Schotter
und das Vorwärtskommen wurde immer mühsamer. Die wunderschöne Landschaft und
ein stahlblauer Himmel entschädigten uns aber dafür. Nun, wieder eine kleine
Aufgabe für euch, liebe Leser: Wer weiss, was es mit diesem komischen Ding hier
auf sich hat? So ein ballonartiges Stück Metall steht praktisch am Rand jeder
Ortschaft hier. Wir haben noch nicht rausgefunden was es sein könnte - kann uns
jemand helfen?
In einer solchen Ortschaft hielten wir dann auch an um uns
mit Proviant einzudecken. Das Einkaufen dauert doppelt so lange, wenn man kaum
etwas versteht. Das Wörtchen "diabetik" auf der Schokoladenverpackung
habe ich dann zum Glück noch vor der Kasse gesehen... Vor dem slowakischen Coop
interessierte sich erstmals jemand für uns. Ein älterer Mann wollte wissen woher
wir kommen, und wohin wir wollen. Also doch nicht so reserviert, die Slowaken? Nach
ein paar Sätzen bruchstückhaftem Deutsch wurde uns jedoch klar - wir hatten es
hier mit einem ungarischen Gastarbeiter zu tun...
Stunden später, nach der x-ten Schranken-Überquerung, war auf
der Karte endlich das Ende des Damms in Sicht und damit auch das Ende der
zurückgebliebenen Auenwäldchen. Beim letzten waldigen Abschnitt sahen wir einen
einladenden Weg ins Wäldchen hinein, welches uns zu unserer bisher mit Abstand
schönsten Campingmöglichkeit führte: Der Weg machte noch eine kleine Kurve und
endete sichtgeschützt in einem flachen, grasbewachsenen Plätzchen, leicht
erhöht über einem lauschigen, kleinen Privat-Kieselsträndchen, dass zur Hälfte sichtgeschützt
war durch Sträucher, die sich hervorragend als "Duschvorhang"
eigneten.
Die Wassertemperatur angenehm um sich am Ufer zu waschen, die
Lufttemperatur genügend warm, dass wir noch von Mücken verschont blieben. Kurz
gesagt - ein Traum! Beim Znacht am Strand wurden wir noch vom benachbarten
Biber besucht, und dann zogen wir uns auch schon in unser Zelt zurück.
Beim ersten Vogelgezwitscher standen wir dann auf, etwas
verunsichert wegen der Zeit, da die Hälfte unserer elektronischen Geräte
plötzlich eine andere Uhrzeit anzeigten (die nächste Zeitzone kommt doch erst
in Bulgarien, nicht schon in Ungarn?), doch eigentlich spielte es ja auch keine
Rolle, wir richten uns eher nach Sonnenaufgang und -untergang als nach der
Uhrzeit.
Nach ca. 1 Stunde erreichten wir die ungarische Grenze und fuhren über
die Donau nach Esztergom, ins ungarische Rom. Hier befindet sich mit der
riesigen Basilika die 18. grösste Kirche der Welt und der Hauptsitz der
katholischen Kirche in Ungarn. Dass die Ungarn doch viel gesprächiger sind als die Slowaken, zeigte sich uns direkt vor
der Kirche, als sich ein Souvenirverkäufer über unsere Herkunft erkundigte. Als
er hörte, dass wir Schweizer sind. rief er aus "Ah -Schwaiz! Basel!!"
Wir: "??? Woher weiss er...?" dann weiter "Yello -
Popstar!" und nach reiflicher Überlegung fügte er an "Schwaizer
Franky!!" und grinste bis hinter beide Ohren.
Mit viel Rückenwind fuhren wir weiter in die grösste
Donaustadt - Budapest. Der Weg dahin war asphaltiert (meistens auf der
Hauptstrasse). Doch endlich kamen wir auf das Budapester Radwegnetz, welches sich nach ein paar hundert Metern als reinste
Mountainbike-Strecke entpuppte. Die Ungarn sind da aber nicht heikel, und
Hunderte, wenn nicht Tausende nahmen an diesem Sonntagnachmittag dieselbe
Strecke mit ihren Citybikes in Angriff. Nach mühsamem Durchschlängeln der Masse
erreichten wir schliesslich die Innenstadt, wo wir uns ein Hostel suchten.
Ich finde eure Reise super genial und ich habe gierig euren Bericht verschlungen. WOW!
AntwortenLöschenBin sehr gespannt auf eure nächsten Berichte und wünsch euch viel, viel Glück!
:-)
P.S.:
Diese Ballonartigen Metalldinger sind Wassertürme/Reservoirs. Die braucht es in flachen Gegenden, damit das Trinkwasser mit Druck aus dem Wasserhahn kommt.
Grüsse
Akos
So toll ihr beiden! Wenn man eure Berichte so liest, glaubt man selbst mit auf der Reise zu sein und ist schon ganz gespannt was der nächste Tag denn so bringt! Ihr solltet am Weg Provision verlangen, denn eure Fotos und Geschichten machen eindeutig Lust die Gegenden selbst zu entdecken! Weiter so!
AntwortenLöschenMacht's gut!
Bussi baba
Liebe Janine, lieber Dominik, Wien - Budapest kennen wir zwar, aber nur vom Wasser aus: 1987 sind wir per Tragflügelboot die Strecke gefahren, um an den Ersten Europäischen Kongress für Nuklearmedizin zu kommen. Die Metallballone in den slowakischen Ortschaften haben wir allerdings nicht beachtet, wir schliessen uns der Meinung von Akos an, es sind zweifellos Wassertürme. Wäre übrigens ein spannendes Foto-Thema, allerlei Wassertürme zu dokumentieren bis zu Eurem Ziel(als avatar heute auch ein solcher). Danke für die spannenden Berichte, es zuckt mir ziehmlich in den Beinen. So aber mal nur gutes Wetter und eine gute Weiterreise wünschen Elisabeth und Ueli - was wünscht man eigentlich den Welt-Velo-Weit-Fahrern? Speichen- und Felgenbruch?!?
AntwortenLöschenAch, und ich wollte die Erste sein... Meine slowakische Kollegin Zuzana hat sich extra bei ihrem Paps erkundigt, was es mit diesen Kugeln auf sich hat und, wie ihr ja bereits wisst, handelt es sich um Wasserspeicher. Des Weiteren hat sie mich darüber aufgeklärt, dass es in der Slowakei einfach nicht Gebrauch ist Fremde zu grüssen. Man müsse schon Jahre lang benachbart oder verwandt sein, damit man dem Slowaken ein "Hallo" entlocken kann. Ausserdem sei es auch normal, dass sie beim Sprechen überall hinschauen, nur nicht in die Augen des Gegenübers... Und dies gelte für alle Ostblock-Staaten gleichermassen. Also merket: Mentalität nicht mit (Un-)Freundlichkeit verwechseln und sich nicht einschüchtern lassen. :-)
AntwortenLöschenFreue mich schon auf den Bericht über Serbien! Liebe Grüsse und viel Rückenwind wünscht pscl