Da wir wie gesagt keine Lust mehr
hatten auf zehnspurige Autostrassen, nahmen wir nach ca. einer Woche Istanbul
die Fähre ins südlich von Bostancı gelegene Yalova (wir haben also nicht "bschisse" und uns von der
Fähre in den Osten transportieren lassen...). Nach einer kurzen Fahrt ans
andere Ufer des Marmara Meers kauften wir noch rasch neuen Proviant und fuhren
dann auf einer gemütlichen vierspurigen Strasse den Berg hoch ins Landesinnere.
Bald schon merkten wir, dass der Frühling nun doch schon fortgeschritten war; die
Hitze um die Mittagszeit machte mir bereits zu schaffen. Wahrscheinlich waren
es erst 26°C oder so, ich hoffte daher, mich noch etwas besser an die heisseren
Temperaturen gewöhnen zu können. Domi fuhr jeweils schon morgens kurz/kurz los
(für nicht-Radfahrer: kurzärmlig und in kurzen Hosen), doch ich entschied mich
für kurz/lang, einerseits weil ich hier auf dem Land noch keine Frau in kurzen
Hosen gesehen habe und andererseits, weil ich bereits etwas für den Iran
"üben" wollte. Zwei-, dreimal die Hosenbeine umkrempeln lag dann aber
doch drin - es war einfach zu heiss! Nachdem wir den ersten Pass überquert
hatten, genossen wir am Iznik See zum
ersten Mal wieder etwas Ruhe und die Natur. Endlich weg von den Abgasen und den
Blechlawinen Istanbuls.
Am Nachmittag führte uns die Strasse am Ufer entlang
nach Iznik, vorbei an eindrücklichen
Felsen und durch das grösste Olivenanbaugebiet der Türkei. Dort angekommen
wollten wir eigentlich nur einen kurzen Blick auf die Karte werfen, um zu
entscheiden, wo wir unser nächstes Nachtlager aufschlagen sollten, da kam auch
schon ein Restaurantbesitzer über die Strasse gerannt und überzeugte uns von
seinen Pide. Während wir unseren
Hunger stillten, erzählte er uns viel Interessantes über das Städtchen und von
seinem Traum, mit seiner Honda Transalp auch mal eine Weltreise zu machen -
Inshallah! Das köstliche Dessert und der Çay ging selbstverständlich
aufs Haus. Wir waren einmal mehr überwältigt ob der Gastfreundschaft in der
Türkei.
Doch dies sollte noch nicht der Höhepunkt dieses Tages sein:
Energiegetankt fuhren wir am Spätnachmittag weiter, noch über einen kleinen
Pass ins nächste Tal, wo wir uns einen gemütlichen Zeltplatz bei einer
Tankstelle an der nächsten Schnellstrasse erhofften. Die Schnellstrasse ähnelte
dann aber sehr stark einer Autobahn, links und rechts begrenzt von Betonmauern.
Von Tankstellen mit grünen Rasenanlagen fehlte jede Spur. So bogen wir ins
nächste Dörfchen ab und fuhren weiter über Land. "Irgendwo werden wir wohl
einen Bauern finden, der uns auf seinem Feld übernachten lässt", dachten
wir uns. Als wir unseren Bauern dann endlich fanden, teilte dieser uns mit,
dass wir schon da irgendwo übernachten könnten, aber auch dass es im nächsten
Dorf einen Campingplatz geben würde... "Hä?" dachten wir, und fuhren
ihm etwas ungläubig hinterher ins Dörfchen Bayat.
Hier wurden wir gleich mal von ihm auf einen Çay im Dorflokal eingeladen und waren sofort umringt von der
gesamten männlichen Dorfbevölkerung. Ich fühlte mich geehrt, auch zum Tee eingeladen
zu werden aber war schon ziemlich die Henne im Korb. So unterhielten wir uns
ein bisschen mit den Männern und fragten dann irgendwann nochmals nach, wo denn
dieser Campingplatz sei. Ali, Burak und seine Freunde zeigten uns dann Bayat´s misafir evi, das Gästehaus der Moschee, wo wir übernachten sollten.
Wir waren froh, unseren eigenen Schlafsack und Mätteli dabeizuhaben. Und mit
unserer zusätzlichen Zeltplane, die eigentlich gegen Regen oder als
Schattenspender gedacht ist, konnten wir einerseits das kaputte Fenster und
gleichzeitig die Glasscherben am Boden und den Teppich noch etwas abdecken. Als
uns die Jungs dann noch ein Znacht, inklusive dreier Harassen (eine als Tisch
und zwei als Stühle) vorbeibrachten, war die Höhle endgültig voll. So assen wir
spätabends noch Spaghetti mit Ketchup und Mayo und mit viel Öl zubereiteten
Sellerie, während die Jungs draussen aufs Geschirr warteten. Zwischendurch kam
dann noch Buraks Mutter, die extra für uns gekocht hatte, und seine Schwester
vorbei, um zu schauen, ob es uns auch gut schmeckte. Erschöpft von den vielen
Eindrücken, fielen wir in einen tiefen Schlaf, der morgens um fünf abrupt
beendet wurde: Der Muezzin machte für uns keine Ausnahme und rief wie gewohnt
lautstark die Dorfbevölkerung zum Gebet.
Am anderen Morgen insistierten wir
darauf, unser eigenes Frühstück zu machen, denn wir hatten mehr als genug zu
essen dabei und wollten die Leute nicht länger belästigen oder von der Arbeit
abhalten. Und so assen wir Müesli mit Früchten, umringt von Schulkindern, die
alle genau hier auf den Bus warteten und an uns ihre Englisch Kenntnisse
testeten. Wir verabschiedeten uns von Ali und seinen Kollegen bei einem Morgen-Çay, für den wir wieder partout nichts
bezahlen durften, und fuhren weiter Richtung Ankara.
Von den Olivenhainen weg führte
uns die Strasse immer höher und höher in die Berge hinauf. Unseren Durst
löschten wir an den zahlreichen Quellen am Strassenrand. Am Abend füllten wir
dann erstmals einen unserer Wassersäcke, um genügend Wasser zum Waschen
vorrätig zu haben. Was bei kühlen Temperaturen noch ausreichte (ca. 200 ml pro
Person) verdunstete jetzt schon nur beim Vorbereiten der Waschschüssel. Kurz
vor der Passhöhe fanden wir schliesslich einen geeigneten Zeltplatz im Pinienwäldchen
und schliefen wieder herrlich.
Als wir anderntags ins Tal runterfuhren
veränderte sich die Landschaft merklich. Die Temperaturen stiegen weiter an,
das Land wurde trockener und trockener. Die Brunnen wurden seltener,
schattenspendende Bäume ebenfalls. So rasch hatten wir die anatolische Steppe
nicht erwartet. "Hoffentlich haben wir genügend Wasser dabei" war
gegen Abend der einzige Gedanke, der mir durch den Kopf ging. Doch das
Wasserproblem sollte sich rasch erledigen, denn ein gewaltiges Gewitter näherte
sich uns.
Vor uns schlugen Blitze ein, und wir befanden uns mitten in der
Steppe - kein besonders gemütlicher Ort um in ein Unwetter zu geraten.
Ausserdem war es schon spät, die Sonne ging schon bald unter, und ein
geschützter Platz zum Zelten war nicht in Sicht.
Als die Steppe in Steinwüste
überging, tauchte vor uns plötzlich ein kleiner See mit Haus auf. Sofort
steuerten wir darauf zu, da hielten sich Leute auf der Terrasse auf. "Hier
dürfen wir bestimmt unser Zelt aufschlagen" dachten wir noch, als ein Mann
aus dem Haus kam, die Arme ausbreitete und uns zurief "Merhaba! Hoşgeldiniz!" Wir wurden
von ihm und seiner Familie auf einen Tee ins Haus gebeten und noch bevor wir
ihn fragen konnten, entschied er, dass wir hier in diesem Haus übernachteten.
Es war eine nagelneue Vogelbeobachtungsstation, und Engin, der Mann, der uns
begrüsste, war hier der Nachtwächter. Seine Familie hatte ihn noch kurz besucht
und alle waren interessiert an den fremden Ankömmlingen. Engin und seine
Familie zeigten uns stolz das gesamte Gebäude, die ausgestopften Tiere (Kurt hatte es mir besonders angetan, vor
allem weil er ausgestopft war) und die wunderbare Felslandschaft, die morgens
um sechs noch viel eindrücklicher sein sollte (Domi opferte sich anderntags fürs
Fotografieren, ich fand die Landschaft auch um acht Uhr noch wunderschön). Nachdem
seine Familie nach Hause gegangen war, assen Engin, sein Sohn und wir noch
zusammen und unterhielten uns mit Hilfe meines Türkisch Kauderwelsch Büchleins
bis spät in die Nacht.
Da wir im Zeitplan gut drin waren und ich um die Mittagszeit immer noch
Mühe mit der Hitze hatte, machten wir in Beypazarı
einen längeren Zwischenhalt, assen etwas Kleines im Lokal gleich neben einer
Schmiede, in der wir für umgerechnet fünf Franken ein handgefertigtes Beil
hätten kaufen können. Anschliessend besuchten wir das Ortsmuseum des
Osmanischen Altstädtchens. Am Nachmittag machten wir uns wieder auf den Weg und
erklommen unseren zweitletzten Pass vor Ankara, auf dem wir bei etwas windigen
Verhältnissen aber bei bisher unübertroffenem Panorama campierten.
Der letzte
Pass vor Ankara war nur noch ein Katzensprung entfernt und wir genossen bald
die rasante Abfahrt in Richtung Hauptstadt. Nach Istanbul war die Einfahrt nach
Ankara eine richtige Sonntagsfahrt. Wir entschieden uns meistens für die
Busfahrspur und konnten unseren letzten Streckenabschnitt sogar noch ein
bisschen geniessen.
In Ankara angekommen hatten wir genügend Zeit, ein gutes
aber günstiges Hotel zu suchen, und die Aussicht von der Dachterrasse sprach
für alles, was uns im Hotel Yeni geboten wurde. Wir nisteten uns in einem
gemütlichen Doppelzimmer ein, denn schliesslich würden wir hier einige Tage
verbringen müssen, da wir noch einige Visa zu beantragen hatten. Bei der
Uzbekischen Botschaft lief, wie erhofft, alles wie am Schnürchen, bis dann in
der Bank, in der wir das Geld einzahlen sollten, das System zusammenbrach. "Please
bring cash to the embassy", meinte die nette Dame am Schalter. Auf unsere
Bitte hin telefonierte sie dann auch noch mit der Botschaft, dass das System
wirklich zusammengebrochen war und keinerlei Transfers mehr getätigt werden
konnten. So gingen wir wieder zurück zur Botschaft, wo wir dem Konsul 100 Dollar
in die Hand drücken wollten. "This is not a good idea, I can´t take your
money like this." Unsere Gesichter wurden länger und länger, was
der Konsul wohl mitgekriegt hatte, denn nach kurzem Überlegen rief er einen
Kumpel herbei. Ihm sollten wir nun die 100 Dollar geben und auf einen Fresszettel
eine Botschaft an die Bank mit unserer Unterschrift versehen schreiben. Sein
Kumpel würde das dann für uns erledigen, kein Problem, und so kriegten wir unsere
Pässe mitsamt Uzbekischem Visum durchs Gitterfenster ausgehändigt. Bevor er es
sich anders überlegte, machten wir uns erstaunt aber zufrieden auf den Weg zur
Kyrgysischen Botschaft, wo wir innerhalb
einer Stunde unser Visum ausgehändigt kriegten. Am nächsten Tag begaben wir uns
auf die Turkmenische Botschaft, wo wir das Visum beantragten, um es später in
Mashhad im Iran abholen zu können (mal sehen, ob das klappt), sowie auf die
Iranische Botschaft, um bisher unsere grösste Knacknuss endlich abzuholen, das
Iranische Visum. Zu unserem erneuten Erstaunen war die Referenznummer, die wir
in Vidin übers Internet beantragt hatten, tatsächlich in Ankara eingetroffen
und wir durften gleich vor Ort die Visumsanträge ausfüllen. Da am 1. Mai auch
in der Türkei alle Banken geschlossen waren, mussten wir uns noch einmal ein
wenig gedulden, denn die Visa gab es erst mit bestätigter Einzahlung von je 50
Euro. So machten wir uns wieder auf den Weg ins Hotel. Doch die Busfahrt lief
nicht so geschmeidig, wie wir uns das vorgestellt hatten, denn die
Hauptstrasse, die vom Nobelquartier Kavaklidere
ins etwas heruntergekommene Ulus
führte, war wegen 1. Mai Demos gesperrt. Egal, wir hatten ja jetzt Zeit und
genossen die Sightseeing-Tour durch die Schleichwege Ankaras für umgerechnet 1
Stutz pro Person. Am nächsten Morgen war ich die Erste auf den Beinen, ganz
kribbelig, weil wir heute hoffentlich endlich unser Iranisches Visum abholen konnten.
Um 9 Uhr standen wir bereits in der richtigen Bank um unser Geld einzuzahlen.
Doch - unser 100 Euro Schein hatte einen klitzekleinen Riss an der Seite. Das
ginge nicht, meinte diese nette Dame am Schalter. Bitten und betteln und
Hundeblick nützte alles nicht, aber immerhin gab sie uns den Tipp uns an ein Döviz zu wenden, einem Wechselbüro. Jene
nette Dame zuckte nicht mit der Wimper und händigte uns zwei einwandfreie 50
Euro Scheine aus. Wahrscheinlich waren wir nicht die Ersten... Nachdem wir also
unsere Quittung hatten, gingen wir schnurstracks zur Iranischen Botschaft. Die
Quittung wurde entgegengenommen, die Pässe gab es hingegen noch nicht zurück.
Um 11 Uhr sei unser Visum bereit. Allah Allah! Zwei Stunden später, nach dem
x-ten Starbucks Tall Cappuccino seit Einreise in die Türkei, wurde uns endlich unser lang ersehntes und
heiss begehrtes Iran-Visum ausgehändigt. Plus zwei touristische Reisekarten des
Irans, was mir dann ziemlich ironisch erschien,
denn nur überhaupt ein Visum zu kriegen, schreckt wohl den einen oder
anderen Touristen bereits vorher ab,
dieses Land zu bereisen. Nichtsdestotrotz war es einer der glücklichsten
Momente seit unserer Abfahrt, denn den Iran besuchen zu können, ist eines
meiner persönlichen Highlights. Nachdem wir also unsere Visa-Odyssee in Ankara
beendet hatten, war endlich die Zeit gekommen für Sightseeing.
So viel gibt es
in Ankara zwar nicht zu sehen ausser vielleicht Atatürks gewaltiges Mausoleum
und das Museum für Anatolische Zivilisationen. Die Gegensätze zwischen arm und reich
waren hier das eindrücklichste Erlebnis.
Während sich im anonymen Botschaftsviertel
Zara, United Colors of Benetton, Marks & Spencer und Starbucks aneinander
reihten, trifft man in der Altstadt von Ankara, in Ulus, wieder Simit (diese
leckeren Brotkringel)-Verkäufer an, schlendert durch bunte und geschäftige
Bazars (wo ich mir einen Manteau für
den Iran kaufte - keine Angst, nicht das Star-Trek Teil auf dem Foto), und kann
Süssholzwurzelsaft kosten, der nicht nur gegen Husten hilft sondern auch
Handystrahlung abhält (hab ich da in der Vorlesung was verpasst?).
helööööööööööös
AntwortenLöschenmächtigprächtig. am beschtä gfauä mir fasch diä bärgä und d janine im simon-amman-gedächtnis-mänteli. superträffer. au lait.
chrigu
Hola, hola
AntwortenLöschender send eifach zwöi verokti
Janine dä Morgerok chont der no guet
witerhin no guet tramp
Feleiz
Hoi Janine
AntwortenLöschenHans hat mir Eure Blog-Adresse gegeben. Reisefüdlis lesen gerne von anderen Reisefüdlis. Eure Berichte sind spannend!
Weiterhin eine gfreute Reise
Monika von der Mobi
Hallo ihr unermüdlichen Radler
AntwortenLöschenWieder mal ein Energieriegel gefällig? Ich möchte auf keinen Fall riskieren, dass Tramp-, Knips- und Schreibenergie nachlassen. Das Ergebnis aus den Dreien ist hitverdächtig.
Gestern hat jemand bereits Interesse angemeldet, einen öffentlichen Vortrag mit euch zu veranstalten. Ihr seht, eure Zukunft ist gesichert ;-.
Liebe Grüsse M
Hallo ihr Lieben,
AntwortenLöschenhier wieder einmal ein Lebenszeichen von der Onkel-Tanten-Generation. Es ist einfach toll, was ihr unternehmt. Wir beneiden euch und möchten nochmals jung sein. Euer Tagebuch ist sehr spannend und gut gemacht, die Fotos exzellent. Zu euren Erlebnissen: Ihr braucht sicher zeitweise auch viel Geduld und starke Nerven beim Warten auf Visas etc. Und es gibt gastfreundliche Menschen, aber auch aufgestellte, neugierige Gäste. So sollten wir miteinander umgehen auf dieser schönen Erde. Sich für Neues interessieren und nicht der Bratwurst und der Rösti nachtrauern.
Uebrigens wir packen auch wieder für eine Reise auf vier Rädern. Nur sind sie bei uns zusammengehängt und wir nehemen das Dach und das Bett mit.
Seid ganz herzlich gegrüsst von
Ueli und Elisabeth