Nachdem uns Ali über den Esfahaner Highway zu sich nach Hause
geführt hatte, durften wir es uns in seiner Studentenbude gemütlich machen. Zum
ersten Mal im Iran hatten wir etwas Zeit für uns selbst. Zeit um e-mails zu
lesen, Zeit um den Blog zu schreiben und Zeit einfach nur um auf der faulen
Haut zu liegen.
Der zweitgrösste Platz der
Welt, erbaut in der Zeit der Savawiden unter Shah Abbas dem Grossen, wird geziert von der eindrücklichen Imam Moschee im Süden, der äusserst
prachtvollen Sheikh Lotfallah Moschee
im Osten, dem Ali Qapu Palast, von wo
aus der Shah und seine Gäste bei den
Polo-Spielen auf dem Platz mitgefiebert hatten im Westen, und schliesslich dem Qeysarieh-Portal im Osten, welches den
Eingang in den grossen Bazaar bildet.
Die Bauten sind über und über verziert mit wunderschönen blau-gelb gemusterten
Kacheln, ich konnte mich kaum satt sehen daran - geschweige denn satt
fotografieren. Domis Kommentar war jeweils: "Machsch wider blaui Föteli..."
Doch wie es der Zufall so
wollte, hatten wir plötzlich Tobias und Marianne vor der Linse. Die beiden
waren zwei Tage vor uns in Esfahan
angekommen und sahen richtig erholt aus. Obwohl wir uns nur zu gerne noch
länger mit ihnen unterhalten hätten, trennten sich unsere Wege nach einem
kurzen Austausch der bisherigen Erlebnisse wieder - uns erwartete eine Party in
Alis Wohnung mit seinen Freunden. Der Abend war sehr lustig und laut. Nach
Apéro und Fast Food Service des Iranischen KFC folgte eine Spielrunde. Wir
spielten Pantomime und Blackjack, was keinerlei Verständigungsprobleme mit sich
brachte.
Am nächsten Tag musste Ali kurz zur Arbeit, was uns die Gelegenheit
gab, mal wieder auszuschlafen. Am Vormittag machten wir uns aber dann doch noch
auf ins benachbarte Jolfa-Quartier, dem
armenischen Viertel Esfahans, wo wir
plötzlich aus heiterem Himmel Kirchenglocken läuten hörten. Ein heimeliges
Gefühl. Doch kurz darauf kam auch schon wieder die Antwort des nächstgelegenen Muezzins, der seine Schäfchen zum Gebet
befahl. Uns liess dies kalt und wir betraten das Tor zur armenischen Kirche,
woher der Glockenklang kam. Ausser dem kleinen Glockenturm, der etwas verlassen
auf dem Platz stand, konnte man gar nicht wirklich erkennen, dass es sich bei
diesem Gotteshaus um eine Kirche handelte. Die sandfarbene Kuppel erinnerte
eher an eine Moschee, doch als wir das Kirchlein betraten, waren wir beide
überwältigt. Oberhalb einer Reihe wohlbekannter blau-gelber Kacheln war der
gesamte Innenraum bemalt mit bunten Fresken die querbeet Szenen aus dem alten
und neuen Testament darstellten. Vielleicht war der bunte Mix aus christlichen
und muslimischen Elementen, vielleicht aber auch der Zeitpunkt, nach unzähligen
Moscheen wieder mal etwas Bekanntes zu sehen, der Grund dafür zu wissen, dass
dies die schönste Kirche war, die ich bisher gesehen hatte.
Das Areal beherbergte
ebenfalls ein armenisches Museum, in dem allerlei uralte Bücher und u.a. das
kleinste Buch der Welt ausgestellt waren. Die Ausstellung zum armenischen
Holocaust, für den sich die Türkei bis heute nicht offiziell bei den Armeniern
entschuldigt hat und der immer noch für feindliche Seelen sorgt, liess uns
beide schwer schlucken. Zu wenig wussten wir darüber, was zwei Jahrzehnte vor
dem zweiten Weltkrieg im Osten passiert war.
Zum
Abendessen waren wir erneut bei Ali´s Freunden eingeladen, so wie auch vier weitere Freundinnen.
Sie sassen um uns herum und unterhielten sich aufgeregt in Farsi über uns.
Warum wir wohl beide Brillen trugen und uns nicht schon längst die Augen
gelasert hätten? Warum wir wohl mit dem Velo unterwegs seien? Wie alt wir wohl
seien? Wie wir uns wohl kennengelernt hätten? Wir sassen da auf unserem Sofa,
amüsierten uns köstlich und liessen alle Fragerei über uns ergehen. Mich plagte
aber zunehmend ein schwindendes Selbstwertgefühl, einerseits, da ich mit meinen
fahrradtauglichen Fetzen, die aussahen wie aus einem russischen Gulag,
wohl die am unmodischsten gekleidete Frau im Iran war (jeder Chador sieht eleganter aus!), und
andererseits, weil alle Iranerinnen so auffallend hübsch waren. Und diese
Nasen! Wie ich später erfuhr, waren aber 50% der anwesenden weiblichen Nasen
operiert, was in ungefähr auch dem Prozentsatz der restlichen jungen,
weiblichen Bevölkerung entsprach, die sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen
hatte. Ein bisschen trösten konnte mich nur ihr Neid um meinen mittlerweile
ziemlich flachen Bauch (wenn ich nicht gerade eine iranische Pizza intus habe)
- denn nach der Hochzeit sei es um die wohlgeformten Proportionen einer jeden
Iranerin geschehen.
Am nächsten Tag ging unser
Programm mit Ali in Esfahan weiter.
Wir besuchten die Jameh-e Moschee und
den Bazaar. Als wir so durch die
bedeckten Gassen schlenderten, sah ich plötzlich durch eine Nebentür ein
grosses Haus mit wunderschönem Garten und Springbrunnen, der hoch hinaus über
die Mauer, die uns die halbe Sicht verwehrte, vor sich hin plätscherte. Ein
Idyll in dieser Hitze! Ich fragte Ali, was denn dies sei, und ob wir da
hingehen könnten. Es war eine Medressa,
eine muslimische Schule, in der Mullahs
ihre Studenten unterrichteten. Wir gingen durchs Tor, doch da stoppte uns Ali.
Ein Schild machte für ihn deutlich (für uns nicht so sehr), dass Frauen hier
nicht zugelassen seien. Oh je. Doch da kam gerade ein Mullah aus der Medressa,
und Ali fragte nach den üblichen persischen Höflichkeitsfloskeln, ob diese
Touristen aus der Schweiz vielleicht nicht eine Ausnahme kriegen könnten. Ohne
mit der Wimper zu zucken verneinte der düster dreinblickende Mullah sichtlich genervt seine Frage und
ging seines Weges.
Als er in den Winkeln des Bazaars verschwunden war, wollte es Ali doch noch versuchen. Zumindest
Domi sollte mitkommen, und es wäre vielleicht schon besser, wenn ich draussen
warten würde. Ich war so enttäuscht und ärgerte mich in diesem Moment grün und
blau. Dass ich als Touristin quasi als "Ehrenmann" durchging nervte
mich sowieso zunehmend, denn ich wusste, dass mich viele Frauen beneiden
mussten, wenn ich durch die Stadt radelte - ein Spass, der ihnen hier vergönnt
ist. Etwas später konnte ich meinen Ärger in einem schönen traditionellen
Restaurant mit Aussicht auf die Kuppel der Sheikh
Lotfallah Moschee durch ein Ausgleichen des Blutzuckerspiegels und Zählen
der anwesenden Kunstnasen wieder etwas besänftigen. Das khoresht-e bademjun (geschmorte Auberginen, Tomaten, Knoblauch und
Ei mit Reis) schmeckte köstlich und das Joghurt-Saffran-Dessert auch, bis Ali die dritte Zutat
erwähnte, besonders lange gekochten Lammhals, der verantwortlich war für die klebrige Textur des Nachtischs.
Bevor wir am Abend ein Restaurant in den umliegenden
Bergen mit Aussicht über das nächtlich beleuchtete Esfahan besuchten, besichtigten wir noch die letzte
Sehenswürdigkeit, den Chehel-Sotun
Palast (Vierzig-Säulen Palast), ein eindrückliches Gebäude aus der Zeit der Savawiden
mit für den Iran etwas ungewöhnlichen Fresken. Abbildungen von Frauen mit
entblössten Brüsten und dergleichen konnten während der Invasion der Afghanen
im 18. Jahrhundert gerade noch durch Gips geschützt werden, so dass diese die
nach ihrem Geschmack viel zu erotischen Bilder nicht in islamistischem Eifer
weisswaschen konnten. Glücklicherweise steht das Gebäude (wohl) unter
Denkmalschutz und die Fresken sind wieder erkennbar.
Am nächsten Tag war endlich
wieder Fahrradfahren angesagt. Wir waren immer noch ein wenig betrübt darüber,
nicht die gesamte Strecke mit eigener Muskelkraft machen zu können (der Ehrgeiz
hatte uns doch noch gepackt), doch gegen zu kurze Visadauer ist kein Kraut
gewachsen (ausser einer Visa-Verlängerung, die entgegen unserem in der Schweiz akquiriertem
Wissen, wohl sehr einfach zu machen gewesen wäre...). Auch fast kein Kraut mehr
sahen wir dann etwas später am Tag auf unserer Fahrt in Richtung Wüstenstadt Yazd. Nachdem wir das Industriegebiet von
Esfahan hinter uns gelassen hatten,
verwandelte sich die Landschaft immer mehr in eine richtige Wüste. Die Sonne
brannte auf uns herab und auf unserer Karte war rasch ersichtlich, dass wir es
bis zum Mittag in einen Ort schaffen konnten mit Restaurant und hoffentlich einer
Klimaanlage. So war es dann auch. Schon bald hatten wir unseren Juje Kabab (Hühnchen Kebab gegrillt mit
Sumach und Reis) bestellt und schauten etwas gelangweilt in den grossen
Flachbildschirm-Fernseher an der Wand. Zu einlullender Musik wurden
Landschaftsaufnahmen aus dem Helikopter gezeigt. Irgendwie kam uns die
Landschaft aber doch sehr vertraut vor, konnte das sein? War es die Schweiz?
Ein Blick an den rechten oberen Bildschirmrand bestätigte unsere Vermutung: Wir
sassen in einem Iranischen Restaurant mitten in der Wüste und schauten HD
Suisse. Eine Weile verfolgten unsere Augen die Bahnstrecke die da schon längst
gezeigt wurde und da meinte Domi plötzlich "ist das nicht Langenthal?" Ich schaute genauer hin, und
tatsächlich: Wir "überflogen" gerade die Neubaustrecke der Bahn 2000.
Eine halbe Minute später tauchte ein Dorf auf und nachdem ich es bereits mit
Freuden erkannt hatte, erschien der Untertitel "Herzogenbuchsee". Ich
konnte es kaum glauben - in äusserst gebrochenem Farsi machte ich den anderen
Gästen, die unsere Aufregung wohl schon mitgekriegt hatten, klar, dass ich an
diesem Ort aufgewachsen war, und die restlichen Gäste freuten sich mit mir und
wollten uns vor Freude gerade zu sich nach Hause einladen. Etwas später
erreichte der Helikopter dann auch Bern, und Domi verspürte ebenfalls ein
bisschen Heimweh. Nachdem wir uns mit dem Grün des Mittellandes aufgetankt
hatten, machten wir uns jedoch wieder auf in die Iranische Hitze.
Unterwegs
hielt uns ein braungebrannter Iraner auf der Strasse an - "Please only stop for a moment". Es
war Mohammad Jalali, Besitzer eines
Homestays im nahegelegenen Dörfchen Toudeshk,
wo wir sowieso planten, die Nacht zu verbringen. Als Alternative bot er uns
eine Wüstentour an, mit anschliessendem Nachtessen und Übernachtung in den
Sanddünen. Wir hatten zwanzig Kilometer Zeit uns dies zu überlegen, doch die
Entscheidung war eigentlich sofort gefällt. Klar wollten wir in die Wüste! In Toudeshk wartete Mohammad bereits auf
uns und wir trafen fünf Backpacker aus Deutschland, Österreich und Frankreich,
die ebenfalls mit uns auf die Tour kamen.
Diese war dann auch echt schön und
wir erhielten ein paar wertvolle Tipps mit auf den Weg, wie man sich in einer
Wüste in der Nacht verhalten sollte. Nicht in die Nähe von Büschen und
Sträuchern gehen und in der Nacht kein Licht anzünden, denn dies locke die Tiere
an. Trotzdem entfachte Mohammad am
Abend auf der Sanddüne ein romantisches Lagerfeuer. Doch mit der Romantik war
es bald aus und vorbei. Wie er bereits angekündigt hatte kamen jetzt die Tiere
- in Form von harmlosen aber handtellergrossen, weissen und ultraschnellen
Spinnen, die überall auf einem herum krabbelten, auch auf dem Gesicht. Unsere
Schreie gellten durch die Nacht und wir amüsierten uns jeweils köstlich über
das nächste Opfer.
Etwas schlaftrunken stolperten
wir am nächsten Morgen in aller Frühe wieder die Düne hoch, um den
Sonnenaufgang über der Wüste zu beobachten. Nach einem Frühstück wieder in Mohammads Homestay fuhren wir weiter in
Richtung Yazd. Nach einem kurzen
Anstieg auf 2400 m.ü.M. mit viel Rückenwind kam die beste Abfahrt seit langem.
Völlig unerwartet tat sich vor uns eine Tiefebene auf und auf einer
schnurgeraden Strasse ging es einfach nur 1000 Höhenmeter runter. Und als die Strasse längst
schon wieder flach aussah, ging es trotzdem immer noch weiter runter. Und die
Temperatur stieg und stieg. Jetzt kamen wir in die Hölle, wie uns Mohammad prophezeite. Nach 30 km Abfahrt
waren wir in der Wüste angelangt. Glücklicherweise hatten wir diesmal genügend
Wasser dabei, denn die Dörfchen, die auf der Karte eingezeichnet waren,
entpuppten sich als Karavanserei-Ruine und als Polizeistation. An beiden Orten
wollten wir nicht Halt machen um nach Wasser zu suchen. Doch zunehmend
erschwerte uns der Wind die Weiterfahrt. Die starken Böen waren etwa so
unberechenbar wie der Fahrstil der blauen Zamyad
Pickup-Trucks, die auf der Strasse für etwas Abwechslung sorgten. Neben
Baumaterial, Heu oder Eis, werden mit diesen z.T. schrottreifen Gefährten auch
Leute, Kühe, Pferde, Esel und seit neuestem auch Kamele transportiert. Um der
drückenden Mittagshitze zu entkommen, verschwanden wir dann für zwei, drei
Stunden in einer Strassenunterführung, wo wir durch den heissen Wüstenwind
quasi in einem Umluftbackofen landeten.
Als die Temperaturen dann wieder etwas
erträglicher wurden, fuhren wir weiter ins nächste reale Dörfchen. Bei einem
Restaurant stellten wir unser Zelt auf und verbrachten schwitzend die Nacht. Um
zehn Uhr abends zeigte unser Kühlschrankthermometer, welches wir noch in
München gekauft hatten um die Minus-Grade zu messen, satte 38 °C an. Früh am
nächsten Morgen fuhren wir wieder los. Der Wind blies aus der richtigen
Richtung, und diesmal konstant. So erreichten wir nach 105 km Yazd noch vor dem Mittagessen. Wir
suchten ein günstiges Hotel und fanden uns bald wieder in einem wunderschönen
Haus aus der Qajar-Ära mit
märchenhaftem Innenhof im Herzen der Altstadt.
Nachdem wir es uns gemütlich
gemacht hatten, erkundeten wir die Wüstenstadt - für einmal auf eigene Faust.
Wir schlenderten durch das Lehmlabyrinth, kletterten auf Dächer um die badgirs zu sehen, die durch
ausgeklügelte Konstruktion den Wüstenwind einfangen, um die darunterliegenden
Räume zu kühlen, und stiegen in die Keller hinab, um nach qanats zu suchen, von Hand angelegte Kanäle, die
ganze Städte mit Wasser versorgen konnten.
Am Abend trafen wir dann zufällig
noch auf Simon und Simon, zwei sportliche junge Deutsche, die wir bereits in der Türkei kurz getroffen hatten und die für einen guten
Zweck nach Indien radeln, und verabredeten uns für gemeinsames Sightseeing am
nächsten Tag.
Nach drei Tagen Ruhe und Entspannung (Iran wurde so was wie "Ferien
von den Radferien" für uns) fuhren wir schliesslich mit dem Zug weiter
durch die Dasht-e Kavir nach Mashhad. Wir hatten lange Zeit ein
vierer Abteil für uns alleine, und so kriegten wir erst kaum mit, dass der Zug plötzlich mitten in der
Wüste angehalten hatte und alle Leute aufgeregt aus dem Zug stiegen. Ich
schaute nach und befürchtete, dass es irgendwo brannte, doch als ich den
Zugführer in gelassener Miene vor der Tür stehen sah, dämmerte es mir langsam:
Die Leute eilten alle in die dafür angelegte Moschee mitten in der Wüste, um
ihr Nachmittagsgebet zu sprechen. Zwanzig Minuten hatten sie dafür Zeit.
Imam-Reza-Schrein in Mashhad |
Nid mau hiä louft HD Suisse. I gloube dr d Schwiz unterwanderet mediätechnisch dr Iran....Diä Gastfründschaft isch scho beeidruckend. Hiä trout mä säch ja chum dr nachbar ds frage, ob är äch chli sauz hätti. ig gloube, dass üses läbenstempo eifach langsam ds schnäu wird. d iraner näme sich no zit für frömid lüt und iladige...
AntwortenLöschenznälüüü
chrigu
p.s. ha übrigens no ä alternatividee zum stelvio nächscht jahr: http://www.grande-traversee-alpes.com/route-des-grandes-alpes
Reiden grüsst die Velofahrer.
AntwortenLöschenDas send ou weder super schöni Böuder ond e ganz intressante Brecht, ech be scho weder of de nöchscht gschpannt.........
Radlet witer guet
Feleiz
U scho wieder ae ganz intressante blog! Freue mi jedesmal, wenn aen angere posted isch. Super schoeni foti.
AntwortenLöschenChrigu, du hesch raecht!
Ig bi froh das mir chance hei, duer Janine&Dominik, aes angers bild ueber die laender choei gseh.
Machets witerhi guet :)
tschuessli
Susle