




Das Areal beherbergte
ebenfalls ein armenisches Museum, in dem allerlei uralte Bücher und u.a. das
kleinste Buch der Welt ausgestellt waren. Die Ausstellung zum armenischen
Holocaust, für den sich die Türkei bis heute nicht offiziell bei den Armeniern
entschuldigt hat und der immer noch für feindliche Seelen sorgt, liess uns
beide schwer schlucken. Zu wenig wussten wir darüber, was zwei Jahrzehnte vor
dem zweiten Weltkrieg im Osten passiert war.
Zum
Abendessen waren wir erneut bei Ali´s Freunden eingeladen, so wie auch vier weitere Freundinnen.
Sie sassen um uns herum und unterhielten sich aufgeregt in Farsi über uns.
Warum wir wohl beide Brillen trugen und uns nicht schon längst die Augen
gelasert hätten? Warum wir wohl mit dem Velo unterwegs seien? Wie alt wir wohl
seien? Wie wir uns wohl kennengelernt hätten? Wir sassen da auf unserem Sofa,
amüsierten uns köstlich und liessen alle Fragerei über uns ergehen. Mich plagte
aber zunehmend ein schwindendes Selbstwertgefühl, einerseits, da ich mit meinen
fahrradtauglichen Fetzen, die aussahen wie aus einem russischen Gulag,
wohl die am unmodischsten gekleidete Frau im Iran war (jeder Chador sieht eleganter aus!), und
andererseits, weil alle Iranerinnen so auffallend hübsch waren. Und diese
Nasen! Wie ich später erfuhr, waren aber 50% der anwesenden weiblichen Nasen
operiert, was in ungefähr auch dem Prozentsatz der restlichen jungen,
weiblichen Bevölkerung entsprach, die sich bereits einer Schönheitsoperation unterzogen
hatte. Ein bisschen trösten konnte mich nur ihr Neid um meinen mittlerweile
ziemlich flachen Bauch (wenn ich nicht gerade eine iranische Pizza intus habe)
- denn nach der Hochzeit sei es um die wohlgeformten Proportionen einer jeden
Iranerin geschehen.


Bevor wir am Abend ein Restaurant in den umliegenden
Bergen mit Aussicht über das nächtlich beleuchtete Esfahan besuchten, besichtigten wir noch die letzte
Sehenswürdigkeit, den Chehel-Sotun
Palast (Vierzig-Säulen Palast), ein eindrückliches Gebäude aus der Zeit der Savawiden
mit für den Iran etwas ungewöhnlichen Fresken. Abbildungen von Frauen mit
entblössten Brüsten und dergleichen konnten während der Invasion der Afghanen
im 18. Jahrhundert gerade noch durch Gips geschützt werden, so dass diese die
nach ihrem Geschmack viel zu erotischen Bilder nicht in islamistischem Eifer
weisswaschen konnten. Glücklicherweise steht das Gebäude (wohl) unter
Denkmalschutz und die Fresken sind wieder erkennbar.
Am nächsten Tag war endlich
wieder Fahrradfahren angesagt. Wir waren immer noch ein wenig betrübt darüber,
nicht die gesamte Strecke mit eigener Muskelkraft machen zu können (der Ehrgeiz
hatte uns doch noch gepackt), doch gegen zu kurze Visadauer ist kein Kraut
gewachsen (ausser einer Visa-Verlängerung, die entgegen unserem in der Schweiz akquiriertem
Wissen, wohl sehr einfach zu machen gewesen wäre...). Auch fast kein Kraut mehr
sahen wir dann etwas später am Tag auf unserer Fahrt in Richtung Wüstenstadt Yazd. Nachdem wir das Industriegebiet von
Esfahan hinter uns gelassen hatten,
verwandelte sich die Landschaft immer mehr in eine richtige Wüste. Die Sonne
brannte auf uns herab und auf unserer Karte war rasch ersichtlich, dass wir es
bis zum Mittag in einen Ort schaffen konnten mit Restaurant und hoffentlich einer
Klimaanlage. So war es dann auch. Schon bald hatten wir unseren Juje Kabab (Hühnchen Kebab gegrillt mit
Sumach und Reis) bestellt und schauten etwas gelangweilt in den grossen
Flachbildschirm-Fernseher an der Wand. Zu einlullender Musik wurden
Landschaftsaufnahmen aus dem Helikopter gezeigt. Irgendwie kam uns die
Landschaft aber doch sehr vertraut vor, konnte das sein? War es die Schweiz?
Ein Blick an den rechten oberen Bildschirmrand bestätigte unsere Vermutung: Wir
sassen in einem Iranischen Restaurant mitten in der Wüste und schauten HD
Suisse. Eine Weile verfolgten unsere Augen die Bahnstrecke die da schon längst
gezeigt wurde und da meinte Domi plötzlich "ist das nicht Langenthal?" Ich schaute genauer hin, und
tatsächlich: Wir "überflogen" gerade die Neubaustrecke der Bahn 2000.
Eine halbe Minute später tauchte ein Dorf auf und nachdem ich es bereits mit
Freuden erkannt hatte, erschien der Untertitel "Herzogenbuchsee". Ich
konnte es kaum glauben - in äusserst gebrochenem Farsi machte ich den anderen
Gästen, die unsere Aufregung wohl schon mitgekriegt hatten, klar, dass ich an
diesem Ort aufgewachsen war, und die restlichen Gäste freuten sich mit mir und
wollten uns vor Freude gerade zu sich nach Hause einladen. Etwas später
erreichte der Helikopter dann auch Bern, und Domi verspürte ebenfalls ein
bisschen Heimweh. Nachdem wir uns mit dem Grün des Mittellandes aufgetankt
hatten, machten wir uns jedoch wieder auf in die Iranische Hitze.
Unterwegs
hielt uns ein braungebrannter Iraner auf der Strasse an - "Please only stop for a moment". Es
war Mohammad Jalali, Besitzer eines
Homestays im nahegelegenen Dörfchen Toudeshk,
wo wir sowieso planten, die Nacht zu verbringen. Als Alternative bot er uns
eine Wüstentour an, mit anschliessendem Nachtessen und Übernachtung in den
Sanddünen. Wir hatten zwanzig Kilometer Zeit uns dies zu überlegen, doch die
Entscheidung war eigentlich sofort gefällt. Klar wollten wir in die Wüste! In Toudeshk wartete Mohammad bereits auf
uns und wir trafen fünf Backpacker aus Deutschland, Österreich und Frankreich,
die ebenfalls mit uns auf die Tour kamen.
Diese war dann auch echt schön und
wir erhielten ein paar wertvolle Tipps mit auf den Weg, wie man sich in einer
Wüste in der Nacht verhalten sollte. Nicht in die Nähe von Büschen und
Sträuchern gehen und in der Nacht kein Licht anzünden, denn dies locke die Tiere
an. Trotzdem entfachte Mohammad am
Abend auf der Sanddüne ein romantisches Lagerfeuer. Doch mit der Romantik war
es bald aus und vorbei. Wie er bereits angekündigt hatte kamen jetzt die Tiere
- in Form von harmlosen aber handtellergrossen, weissen und ultraschnellen
Spinnen, die überall auf einem herum krabbelten, auch auf dem Gesicht. Unsere
Schreie gellten durch die Nacht und wir amüsierten uns jeweils köstlich über
das nächste Opfer.
Etwas schlaftrunken stolperten
wir am nächsten Morgen in aller Frühe wieder die Düne hoch, um den
Sonnenaufgang über der Wüste zu beobachten. Nach einem Frühstück wieder in Mohammads Homestay fuhren wir weiter in
Richtung Yazd. Nach einem kurzen
Anstieg auf 2400 m.ü.M. mit viel Rückenwind kam die beste Abfahrt seit langem.
Völlig unerwartet tat sich vor uns eine Tiefebene auf und auf einer
schnurgeraden Strasse ging es einfach nur 1000 Höhenmeter runter. Und als die Strasse längst
schon wieder flach aussah, ging es trotzdem immer noch weiter runter. Und die
Temperatur stieg und stieg. Jetzt kamen wir in die Hölle, wie uns Mohammad prophezeite. Nach 30 km Abfahrt
waren wir in der Wüste angelangt. Glücklicherweise hatten wir diesmal genügend
Wasser dabei, denn die Dörfchen, die auf der Karte eingezeichnet waren,
entpuppten sich als Karavanserei-Ruine und als Polizeistation. An beiden Orten
wollten wir nicht Halt machen um nach Wasser zu suchen. Doch zunehmend
erschwerte uns der Wind die Weiterfahrt. Die starken Böen waren etwa so
unberechenbar wie der Fahrstil der blauen Zamyad
Pickup-Trucks, die auf der Strasse für etwas Abwechslung sorgten. Neben
Baumaterial, Heu oder Eis, werden mit diesen z.T. schrottreifen Gefährten auch
Leute, Kühe, Pferde, Esel und seit neuestem auch Kamele transportiert. Um der
drückenden Mittagshitze zu entkommen, verschwanden wir dann für zwei, drei
Stunden in einer Strassenunterführung, wo wir durch den heissen Wüstenwind
quasi in einem Umluftbackofen landeten.



Nach drei Tagen Ruhe und Entspannung (Iran wurde so was wie "Ferien
von den Radferien" für uns) fuhren wir schliesslich mit dem Zug weiter
durch die Dasht-e Kavir nach Mashhad. Wir hatten lange Zeit ein
vierer Abteil für uns alleine, und so kriegten wir erst kaum mit, dass der Zug plötzlich mitten in der
Wüste angehalten hatte und alle Leute aufgeregt aus dem Zug stiegen. Ich
schaute nach und befürchtete, dass es irgendwo brannte, doch als ich den
Zugführer in gelassener Miene vor der Tür stehen sah, dämmerte es mir langsam:
Die Leute eilten alle in die dafür angelegte Moschee mitten in der Wüste, um
ihr Nachmittagsgebet zu sprechen. Zwanzig Minuten hatten sie dafür Zeit.
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Imam-Reza-Schrein in Mashhad |
Nid mau hiä louft HD Suisse. I gloube dr d Schwiz unterwanderet mediätechnisch dr Iran....Diä Gastfründschaft isch scho beeidruckend. Hiä trout mä säch ja chum dr nachbar ds frage, ob är äch chli sauz hätti. ig gloube, dass üses läbenstempo eifach langsam ds schnäu wird. d iraner näme sich no zit für frömid lüt und iladige...
AntwortenLöschenznälüüü
chrigu
p.s. ha übrigens no ä alternatividee zum stelvio nächscht jahr: http://www.grande-traversee-alpes.com/route-des-grandes-alpes
Reiden grüsst die Velofahrer.
AntwortenLöschenDas send ou weder super schöni Böuder ond e ganz intressante Brecht, ech be scho weder of de nöchscht gschpannt.........
Radlet witer guet
Feleiz
U scho wieder ae ganz intressante blog! Freue mi jedesmal, wenn aen angere posted isch. Super schoeni foti.
AntwortenLöschenChrigu, du hesch raecht!
Ig bi froh das mir chance hei, duer Janine&Dominik, aes angers bild ueber die laender choei gseh.
Machets witerhi guet :)
tschuessli
Susle