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Der Jadedrachenschneeberg |
Na ja, natürlich war es nicht
gaaanz zufällig, dass wir Tobias und Marianne in Lìjiāng
wieder getroffen haben: Wir haben uns je eine Chinesische SIM Card zugelegt
und die wird noch vor Verlassen der Chinesischen Volksrepublik vertelefoniert.
Nach einem gemütlichen Znacht in der Altstadt mussten die Beiden leider anderntags
schon wieder weiterziehen, um in Kūnmíng
neue Visa zu organisieren.
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Lijiang by Night |
Wir blieben noch zwei Tage in der touristischen
Hochburg hängen, wo wir es uns fast lieber im Hotelzimmer gemütlich gemacht
haben, als uns durch die abartige Menge von meist chinesischen Touristen zu
drängeln, um über die alten Ziegeldächer hinweg einen Blick auf den Jadedrachen
Schneeberg zu erhaschen. Die Wand an Wand stehenden Steinhäuser der UNESCO
anerkannten Altstadt mit den schmucken Steinbrücklein, welche die gepflasterten
Gassen über das Geflecht der Wasserversorgungskanäle miteinander verbinden, lassen
einen zwar erahnen, wie es hier vor nicht allzu langer Zeit ausgesehen haben
könnte, doch wird die Vorstellungskraft stark eingeschränkt durch unzählige und
immer gleiche Souvenir-und Handwerksläden, die jährlich Millionen von Touristen
durch ihre Türen locken.
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wir schossen das Foto um 7:00
früh - und 10 andere Fotografen ebenfalls... |
Wir besuchten deshalb (dank Tobias und Marianne´s Altstadteintrittstickets
für 80 Yuan - UNESCO? Hallo?) nur noch den Park des schwarzen Drachensees, um das
obligate Foto des 5000ers am Horizont zu schiessen und wandten uns dann unseren
Alltagspflichten zu - ja, genau, richtig gelesen - auch wir haben einen Alltag!
Wir erleben unsagbar vieles auf unserer Radreise, und alles will dokumentiert
werden. Während unseren "Ruhetagen" gönnen wir jeweils unserer
Beinmuskulatur die nötige Erholung, doch der Rest von uns arbeitet hart: Unsere
Erlebnisse aufzuschreiben und zu recherchieren, sowie die Fotos zu erlesen und
zu überarbeiten dauert meist mehr als einen ganzen Tag. Dann sind wir auch
ziemliche Schmutzfinken geworden: Fahrradbekleidung wird der Einfachheit und
Bequemheit halber gleich an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen getragen, denn
waschen müssen wir meistens von Hand. Und es erfordert mehrere
"Waschgänge" um unsere vom Strassenstaub und -schlamm verschmutzten
Klamotten so was wie sauber zu kriegen. Mittlerweile habe ich mich auch an den
rezenten Geruch gewöhnt, der in Schwaden daher kommt, wenn ich Domi hinterher
fahre.
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Ein ganz normaler "Ruhetag" |
Einige fragen sich auch, wie wir das mit der Kommunikation machen - die
Leute, die wir unterwegs treffen, werden immer exotischer und sprechen von Tag
zu Tag fremdländischer. Während ich mich aufs Lernen der Sprache konzentriere,
wurde Domi unterwegs zum Meister der Pantomime - Activity Spieler nehmt euch in
Acht - a Champion will return! Während Domi also "learning by doing" bevorzugt, hat sich wohl schon manch ein
Chinese gewundert, wenn aus dem Hotelzimmer der lăowài
(Ausländer) sinnlose chinesische (?) Sätze formuliert werden, gefolgt von einem
ablehnenden "Dingdong" des Computers, die gleichen Sätze dann immer
lauter wiederholt werden und schliesslich in ein lautes Gefluche in einer für
sie unverständlichen, kehligen Sprache übergehen, weil die nǚrén (Frau) zum x-ten Mal die Betonung
nicht richtig hingekriegt hat.
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wer Chinesisch lernen will, sollte
besser früh damit beginnen |
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Wasserkochen für Fortgeschrittene |
Auch die weitere Strecke zu planen gehört zu den
Aufgaben an unseren Ruhetagen. Dies nimmt meistens mehrere Stunden in Anspruch,
mit oftmals zeitaufwändigen Recherchen im Internet und Lesen von anderen
Reiseberichten, denn mehrere Faktoren müssen gleichzeitig berücksichtigt
werden, wie z.B. das Höhenprofil, der Strassenzustand, interessante Sehenswürdigkeiten
und nicht zuletzt die verbleibenden Tage des Visums. Dazwischen erholen wir uns
aber auch von Erlebtem und den vielen Eindrücken (irgendwann wird jeder Geist
müde) beim Schlafen, Lesen, Kartenspielen oder Filme schauen. Unser momentaner Favorit
ist aber CCTV News - ein äusserst unkritischer Chinesischer Fernsehsender für Englischsprachige,
der täglich über "the everchanging
China in the decade of change" berichtet und dabei wenig subtile
pro-chinesische Aussagen am Laufmeter sendet. Berichte über die Rolle Japans
beim Diaoyu-Islands (chinesischer
Name der Senkaku-Inseln) Konflikt oder über "Taiwan and the Mainland" sind besonders interessant. Nach
unseren Ruhetagen nehmen wir dann jeweils frisch und erholt die neue Etappe in
Angriff, wieder bereit Neues zu erleben. So auch diesmal.
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Auch noch nach 6 Jahren immer
wieder bereit neues zu erleben
(wir feierten im Pizza Hut...) |
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Emsige Bienchen |
Lange haben wir überlegt, ob wir
noch einmal einen Schwenker ins tibetische Hochland machen sollten, haben uns
aber dann doch für die Reisterrassen im Südosten Yúnnáns
entschieden - für beides blieb uns aufgrund des Visums keine Zeit. Da auch wir
wieder einmal Kilometer spulen wollten, einfach um zu sehen, ob wir das
überhaupt noch können, fuhren wir am ersten Tag gleich ins 130 km weit
entfernte Städtchen Jiangwei. Und
damit es etwas schneller ging, nahmen wir die Autobahn... Die Gebühr wurde uns
dann zum Glück erlassen. In einem muslimischen Restaurant assen wir dann mal
etwas anderes als Schweinefleisch und sanken müde in unsere brettharten
chinesischen Betten (es kommt schon ab und zu vor, dass uns morgens die Glieder
mehr schmerzen als abends, nach einer anstrengenden Tagesetappe. Wir können uns
echt nicht erklären, weshalb sich die Chinesen die Mühe einer Matratze machen -
könnten sie doch ebenso einfach am Boden schlafen - es käme praktisch aufs
Gleiche raus).
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Drei Pagoden vor Dali |
Am darauffolgenden Tag fuhren wir nur 30 km weiter, ins nächste
von Lonely Planet (der Bibel aller Individualtouristen) empfohlene, sehenswerte
Städtchen Dàlĭ und genossen den
"freien" Nachmittag beim Altstadtbummel. Hier war das Touristen/Lokalbevölkerung
Verhältnis bereits erträglicher. Doch am besten gefiel es uns dann am nächsten
Tag in Wēishān. Obwohl das von Yi und Hui (chinesische Muslime) bevölkerte Städtchen ebenfalls in der
"Bibel" erwähnt wird, hatten wir das Gefühl, die ersten westlichen
Touristen zu sein, die die Leute hier zu Gesicht bekamen. Sofort stellte sich
wieder "Popstar-Status" ein und wir fühlten uns wohl.
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Reis-... |
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...Mais-... |
Obwohl manchmal
auch anstrengend, geniessen wir es schon ein bisschen, dass uns oft zweimal
hinterher geschaut wird, Autos und Motorräder uns manchmal verdächtig langsam
überholen oder wir mitten in der Fahrt angehalten werden, damit ein paar junge
Chinesen von und mit uns ein Foto schiessen können. Wir werden nicht müde, den
Chinesen auf ihr fröhliches "Hellöu"
mit einem "Hellöu"
unsererseits zu antworten und finden es noch immer amüsant, wenn spätnachmittags,
bei unserer Ankunft in irgendeinem Hotel in irgendeinem Kaff, dem Manager erst
mal die Kinnlade runter klappt und er dann erst auf unser nĭ hăo
reagiert.
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...und Nudelernte |
In Wēishān hatten wir ein so tolles Hotel
und das Städtchen gefiel uns so gut, dass wir spontan beschlossen, einen
richtigen Ruhetag einzulegen. Einfach mal den ganzen Tag - nichts tun! Na ja,
wir sind trotzdem durch die Gassen geschlendert, haben gut gegessen, Proviant
gekauft und hier und da ein Foto geschossen. Es macht ja auch Spass!
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Yi Frau mit traditioneller
Bekleidung |
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Yi beim Tanzen in Weishan |
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Hoch, runter, hoch, runter |
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Bambusbong |
Am nächsten Tag schwangen wir uns
wie gewohnt wieder in die Sättel, schliesslich wollten wir zu den
Reisterrassen. Doch bei der letzten Routenplanung ging uns irgendwie das
Höhenprofil durch die Lappen. Vor uns lag da plötzlich eine einzige
Zickzacklinie - hoch, runter, hoch, runter - mit Abfahrten und Aufstiegen über
2000 Höhenmeter. Doch nun war es zu spät - die Abzweigung, die direkt nach Laos
geführt hätte, lag bereits hinter uns, es gab kein Zurück mehr. Doch mittlerweile
habe sogar ich mich an die langen Aufstiege gewöhnt und kann ihnen sogar
einiges positives abgewinnen: Hat man erst einmal den richtigen Rhythmus
gefunden, geht´s einfach stundenlang im gleichen Tempo den Berg hinauf, während
man die wunderbare Aussicht geniessen kann. Die Strassen sind zum Glück in
gutem Zustand und der Verkehr hielt sich bisher sehr in Grenzen. So fahren wir bergauf
und bergab und sind immer wieder gespannt, was uns wohl im nächsten Tal
erwartet.
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Begutachten der Baumnussernte |
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Hellöu |
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das alte China |
Genau wie sich die Vegetation von Tal zu Tal verändert (wir sind
mittlerweile ein gutes Stück in den Süden gefahren - da ändert sich einiges!),
tun es auch die Leute. Mal sind sie freundlich, grüssen und geben sich interessiert,
mal kümmert es sie nicht die Bohne, dass zwei Westler vor ihrer Haustür auf
einem Fahrrad vorbeistrampeln - als ob dies zur Tagesordnung gehören würde. Vielleicht haben sie aber auch einfach andere Sorgen. Nur zu oft fuhren wir an schäbigen
Holzhütten vorbei und mussten mit Schrecken feststellen, dass da noch jemand
wohnt. Hungernden Landstreichern und verkrüppelten Menschen begegneten wir
nicht selten - oft nur einige Kilometer weit entfernt von den touristischen
Städtchen, die das "alte China" künstlich aufrecht zu erhalten
versuchen.
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Bananenblüte |
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Zuckerrohrplantagen |
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Drachenfrucht-Kakteen
(Predator lässt grüssen) |
Doch dann fuhren wir wieder durch breite, landwirtschaftlich
(aus-) genutzte Ebenen, die der Bevölkerung guten Ertrag zu liefern schienen. Hier
werden Bananen angebaut, dort Seidenraupen gezüchtet, bald fuhren wir entlang von
riesigen Zuckerrohrfeldern, bald entlang sorgsam gehegter Drachenfrucht-Kakteen,
deren Früchte man zu Weihnachten bei uns in der Migros kaufen kann. Alle paar
Tage führte uns unsere Route auch in eine grössere Stadt, wie Zhenyuan. Diesmal fiel uns als erstes
die Kinnlade runter: Dass die Chinesen gerne bauen, haben wir unterdessen
mitgekriegt, doch was wir hier sahen übertraf alles. Während Schweizer Städte
ab und zu ein neues Wohnquartier kriegen, erhielt Zhenyuan gleich eine neue Nachbarsstadt. Wohnblöcke und Parkanlagen
waren gleichermassen errichtet worden wie Shopping Malls und vielspurige
Strassen. Alles war bereit - nur die Leute fehlten.
Coiffeursalons waren noch
leer, Einkaufsregale standen bereit, um mit Chinesischen Produkten gefüllt zu
werden, und Hotels warteten auf ihr Personal und die Gäste. Der Anblick dieser
riesigen Retortenstadt war ziemlich unheimlich. Wir folgten den allgegenwärtigen
Elektroscootern ins alte Zhenyuan, wo
wir uns in einem belebteren Stadtteil ein günstiges Hotel nahmen - ohne Strom.
"Von acht Uhr abends bis sieben Uhr morgens gibt´s Strom" war die
erklärende Antwort des Managers. Bald einmal wurde uns bewusst - dies galt
nicht nur für unser Hotel - dies galt für die ganze Stadt! Und so genossen wir
unser Chinesisches Dinner zur Abwechslung mal nicht bei grellem Neonlicht,
sondern bei romantischem Kerzenschein.
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Wenn in China ein Schmetterling
mit den Flügeln schlägt... |
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Yunnan - Süden der Wolken |
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der Nebel lichtet sich |
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Bambus ist im Fall ein Gras! |
Ehe die Sonne uns wieder zum
Schwitzen bringen kann, muss sie, wie hier immer um diese Jahreszeit, erst den morgendlichen,
dichten Nebel verdrängen, und so nahmen wir denn auch diesmal den nächsten Berg
in Angriff inmitten einer grauen Suppe. Die Umrisse der meterlangen Bambushalme
über uns erschienen wie riesige, bucklige Greise, die sich gegenseitig den
neuesten Klatsch und Tratsch erzählen wollten. So zwischen zehn und elf Uhr
lichtet sich jeweils der Nebel und eine neue Landschaft präsentiert sich uns.
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neue Landschaft |
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erste Terrassen |
Wir waren völlig begeistert, als wir die ersten Terrassen entdeckten. Doch um die
"echten" Reisterrassen von Yuányáng
zu bewundern, müssen wir uns noch ein wenig gedulden. Meine Beine schrien nach
einem "Ruhetag"...
Bis dahin ein Rätsel, das wir
erst lösen können, sobald wir einen kundigen, englischsprechenden Chinesen
gefunden haben - oder ihr uns auf die Sprünge geholfen habt:
Eine milchig-trübe Flüssigkeit
wird in flache Becken geschüttet, die von einem Kohleofen eingeheizt werden.
Nach einer Weile fischt der Mann eine Schicht aus dem Becken und hängt diese
zum Trocknen auf. Was ist es, was der gute Mann hier herstellt?
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Was tut er bloss? |